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55 Puzzleteilchen über China (4)
Von Martina Bölck
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Eine junge Frau hat gerade ihren Uniabschluss gemacht, stolz kommt sie mit dem Zertifikat zu ihrer Großmutter. Doch diese will nur eines wissen: »Bist du schon verheiratet?« Immer wieder stellt sie diese Frage in den folgenden Szenen, während sie zusehends hinfälliger wird. Da wird der Enkelin klar, dass sie nicht mehr warten darf. Am Ende sitzt sie im Brautkleid, den Ehemann an ihrer Seite, im Krankenhaus am Bett der Großmutter und strahlt sie liebevoll an: »Oma, ich bin verheiratet.«

Eine große chinesische Dating-Plattform warb 2014 mit diesem Video und dem Satz: »Der Liebe wegen, warte nicht zu lang.« Gemeint war wohl die Liebe zur Großmutter. Im Netz entrüsteten sich viele über das Filmchen, es vertrete altmodische Werte und sei diskriminierend. Doch in einigen Stellungnahmen wurde auch deutlich, wie stark der familiäre Druck erlebt wird. »Nicht verheiratet sein = keinen Wert haben, keine Kindesliebe an den Tag legen, es zeigt, dass meine Mutter mich nicht gut erzogen hat, dass meine Schulbildung und mein Studium zu nichts gut waren«, beschreibt eine Userin die Situation. Wenn sie das Frühlingsfest bei den Eltern verbringe, komme sie sich vor wie auf einer Kampfsitzung während der Kulturrevolution.

Eine Familie zu gründen und Nachkommen zu zeugen, um die Familienlinie fortzuführen, gilt in der konfuzianischen Tradition als wichtigste Kindespflicht. Eltern, deren Kinder nicht verheiratet sind, müssen sich nicht nur mit ihrer persönlichen Enttäuschung auseinandersetzen, sondern auch mit dem gesellschaftlichen Gesichtsverlust. Denn alle Verwandten und Bekannten werden sie ständig danach fragen und ihr Kind mit denen anderer Eltern vergleichen. Diesen Druck geben sie weiter. An das einzige Kind, das sie (in der Regel) haben.

Für Frauen ist das Zeitfenster für die Partnerwahl besonders klein, was den Druck erhöht. Ab Mitte 20 wird es schon kritisch, ab Ende 20 tragen sie das gesellschaftliche Stigma, eine shengnü eine »übriggebliebene Frau« zu sein. Dabei trifft es gerade die gut ausgebildeten, beruflich erfolgreichen Frauen. Sie haben hohe Ansprüche an ihren Partner. Da Frauen auch in China traditionell lieber jemanden heiraten möchten, der auf Augenhöhe ist oder zu dem sie aufschauen können, während Männer gerne auch zu sich aufschauen lassen, bleiben am Ende vor allem die Frauen am oberen Ende der sozialen Skala übrig – und die Männer am unteren Ende.


 
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