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aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
mitbewohner
01-aug-06
@YZD

wie ich solche erhebenen Vortraege vermisse....
Schoenen Dank fuer die linguistische Auffarbeitung. Das ist mal was anderes als Infotainement-Philologie...

Danke!
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
yanggui
01-aug-06
na, wie was zu übersetzen ist, scheint ja eine langwierige angelegenheit zu sein
1 zitat

ich wuerde die beiden bestandteile des ersten zitats weiter kausal verknüpfen

also wenn das eine, dann das andere
wenn sitte (riten) nicht nach unten durchgreifen, dann entsteht kein(kommt empor) das recht

sicherlich regeln riten und recht m.E. unterschiedliche bereiche, aber zunächst ist eine korrekte umsetzung der riten erforderlich, daraus resultiert dann ein rechtsgefühl bzw. dadurch funktioniert das rechtssystem, da rechtliche normen in aller regel im wesentlichen über einsicht und nicht über strafandrohung umgesetzt werden
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
yanggui
01-aug-06
2. zitat

es wird jetzt nicht das wort fa 法 sondern xing 刑 verwendet. während bei fa im vordergrund der bedeutung sehr deutlich gesetztes recht im unterschied zu anderen rechtsarten steht, betiont xing deutlich stärker den strafenden charakter des gesetzes. deswegen würde ich nach wie vor beide zitate nicht gleichsetzen, und xing vor allen dingen nicht micht recht, sondern mit strafe übersetzen

dass es sich um eine anneinanderreihung handelt, wird ja gleich bewertet
also

riten erreichen nciht das volk, strafe erreicht nicht den adel

bei den riten bzw. den sitten bin ich jetzt der ansicht, dass diese sehr wohl mit dem einfachen volk zu tun haben, und zwar in dem sinn, dass durch beispiel und anleitung seitens der herrschenden diese sich auch im volk durchsetzen, dadurch wird sittliche reife erlangt. riten greift jetzt zu kurz, wenn man darunter nur den ritus im sinne einer formalisierten rituellen handlung versteht, vielmehr geht es um die gesamtheit der angemessenen verhaltensmuster innerhalb einer gesellschaft bzw. um das korrekte miteinander unter den menschen basierend auf ihrer jeweiligen position bzw. ihrem status

wenn jetzt also die riten nciht zum volk durchdringen, deutet dies auf eine nicht wahrgenommene vorbildfunktion der herrschenden hin

zwar geht man idealtypisch in der tat davon aus, dass die herrschenden aufgrund ihrer einsicht nicht gegen das recht verstossen, das heißt aber nicht, das es gegebenenfalls nicht strafen zur anwendung käme

wenn dies nicht geschieht, deutet dies ebenfalls einen mißstand an
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
yanggui
01-aug-06
also, grundsätzlich ist das gesetzte recht bestimmt nicht die methode, die bevölkerung anzuleiten, sondern lediglich eine verfahrensweise, im konfliktfall eine regelung zu finden

von daher wäre bei herrn ackermann ein unrechtsbewußtsein wünschenswert, wenn es nicht da ist, sollte aber das gesetz eingreifen und wenn die nicht geschieht, wird dies zurecht als mißstand empfunden
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
Frieder Demmer
01-aug-06
"von daher wäre bei herrn ackermann ein unrechtsbewußtsein wünschenswert, wenn es nicht da ist, sollte aber das gesetz eingreifen und wenn die nicht geschieht, wird dies zurecht als mißstand empfunden"

Volle Zustimmung, es ist ein Missstand, aber eben kein systemimmanenter.

Das eine Ablösung der Eliten von sittlichen Standards auch bei uns von Statten geht, ist ja die aktuelle Diskussion.

Wichtig wäre mir noch klarzustellen, das ich ausdrücklich nicht der Meinung bin, das die "unteren Bevölkerungsschichten" über höhere sittliche Maßstäbe verfügen. Wenn aber eben schon die, die es sich vom Empfinden her locker leisten könnten, die allgemeinen sittlichen Maßstäbe links liegen lassen, sinkt die Motivation, derer, die auf niedrigeren Einkommensniveaus sih bewegen, die eigenen aufrecht zu erhalten.

Letztlich ist aber auch das eine Ausrede: "Wenn die schon... .", da tatsächlich jeder einzelne, der sich an die Spielregeln hält, die Verbindlichkeit sittlicher Maßstabe erhöht.

Ein gesetztes/codiertes Recht ist denke ich eine ganz entscheidende Methode, die Bevölkerung anzuleiten, auch Sitte zu kommunizieren und zu schützen, da es den Inbegriff von Verbindlichkeit darstellt.

Das Gesetz stellt jedoch nicht die entscheidende gesellschaftsverbindende Kraft dar - die liegt in der individuellen Verbindlichkeit, dem Gesetz wie auch der Sitte gegenüber.

Sitte ist nach meinem Verständnis keine Methode, sondern ein Fakt, etwas gesellschaftlich Gegebenes. Sie wird über Kommunikation und Erziehung (familiäre, gesellschaftliche, mediale wie institutionalisierte) unter der Nutzung unterschiedlichster Methoden und Kommunikationswege vermittelt wie auch sanktioniert.

Der Satz "Unwissenheit schützt vor Strafe" nicht verkörpert den Grundsatz, dass in unserem System das Gesetz imm zweifelsfall immer die Sitte überstimmt.
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
Frieder Demmer
01-aug-06
Die Aufnahme der Deng Xiao Ping-Lehren in die chinesische Verfassung mit seinem "koste-was-es-wolle-Pragmatismus" räumt der Situation im chinesischen Rechtsverständ bis heute und explizit einen wesentlich höheren Stellenwert ein - was sich nicht zuletzt in den fortlaufend munteren Verfassungsänderungen wiederspiegelt.

Das eröffnet chinesischen Regierungen auf der einen Seite faszinierende Handlungsspielräume - gibt aber der individuellen Verantwortlichkeit/Ehrbarkeit eben automatisch wieder ein wesentlich höheres Gewicht.

Die jüngsten Rückschritte in den Bereichen der Meinungsfreiheit werfen ernsthaft die Frage auf, ob man der chinesischen Regierung diese Ehrbarkeit und Verantwortlichkeit unterstellen kann oder nicht.

Böse gesagt, ist es die Kernverantwortung der aktuell Regierenden, zu verhindern, dass sie die vermeintlich öffnenden Ansätze Dengs nicht instrumentalisiert werden, um quasi vorrepublikanische Zustände zu restaurieren.

Ich würde aber eben nicht so weit gehen, dieses als Fakt zu sehen, noch ist die Richtung für mich nicht eindeutig.

In einem anderen Rechtssystem wären vergleichbar starke Ambiguitäten m.E. nach einfach nicht möglich. Das liegt am System - aber eben auch am grundsätzlichen, traditionellen Rechtsverständnis, dass wesentlich höhere Toleranzen für "Machtausübung" im eigentlichen Sinne einräumt. Deswegen wird auch so viel akzeptiert - was ich aktuell noch eher als Segen denn als Fluch empfinde. Eine Destabilisierung Chinas löst bei mir nach wie vor unmittelbare Übelkeit aus.
 
 
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Mnemosyne
04-aug-06
@ YZD / yanggui / Frieder Demmer

Ich habe in der Schule aber anders gelernt! :-)

Die Gesellschaft sollte nach zwei differenzierten Prinzipien geregelt werden. Die einfachen Leute müssen sich dem Recht (Strafen) unterordnen; die Gebildeten dagegen der gelernten Lehre (gelerntes Verhalten / Gewissen).

P.S. Diskussionen über das Thema sind leicht zu finden, wenn man Han Feizi´ Fa Lehre vs. Kongmeng´s Ru Lehre lesen möchte.
 
 
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YZD
04-aug-06
@ Mnemosyne

So sehe ich es auch, daher hatte ich auch geschrieben "Diese überlappen sich, regeln aber im wesentlichen komplett unterschiedliche Bereiche in der Gesellschaft." Nur wer liest heute noch Han Feizi et al. Ich bin auf jeden Fall erfreut zu hören, daß man in Shaanxi noch Han Feizi und Lun Yu liest oder gelesen hat. Endlich mal wieder eine Stimme, die etwas über China weiß und nicht nur eine Stimme, die eine Meinung darüber äußert, wie man sich China so vorstellt.
Mnemosyne ist ein schöner Name, ist er auch Programm?
YZD
 
 
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Mnemosyne
04-aug-06
@YZD

In der Schule lernt man leider nicht besonders viel über die klassischen Werke. Mein Vater hat mir viel beigebracht als ich noch sehr jung war. Ich mag Xianqin Literatur, brillant in jeder Hinsicht.

Mnemosyne, the goddess of memory, finde ich auch nicht schlecht. :-) Weiss leider nicht ob auch ein Programm danach benannt wird.
 
 
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yanggui
04-aug-06
@yzd

es muss schon ganz schön hart sein, als einzelkämpfer das fähnlein des korrekten chinaverständnisses hoch zu halten

aber allgemein: legalisten und konfuzianer gehen doch wohl von einem unterschiedlichen menschenbild aus.

hier ein grundsätzlich egoistisches und schlechtes wesen, das im allgemeinen nicht über einsicht erzogen, sondern nur über strafandrohung im zaum gehalten werden kann

dort ein grundsätzlich lernfähiges und zum guten williges wesen, das über vorbild und einsicht auf dem rechten weg gehalten werden kann

jetzt mag es sicherlich so sein, dass in der regel bei den oberen schichten eine einsicht eher zu erreichen ist, aber han feizi besteht selbstverständlich auf einer anwendung der gesetzte und der verhängung von strafen unabhängig vom stand

und die konfuzianer erhoffen sich selbstverständlich auch, dss die einsicht auch zu den unteren schichten durchdringt

also ist fa nicht nur was für "die da unten" und li niocht nur was für "die da oben"
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
YZD
04-aug-06
@ yanggui

Wenn es denn wenigstens ein korrektes Chinaverständnis gäbe. An manchen Tagen bin ich ja schon mit mir alleine nicht einer Meinung. Immerhin bleibt der Unterhaltungswert gegeben. Noch spannender ist es, mit Chinesen über die "out of Africa" Theorie oder Evolution zu diskutieren. Ich vermute, daß Adam demnächst bei Beijing ausgegraben wird.
Natürlich ist Ihre Einschätzung der Konfuzianer und der Legalisten richtig. Die Konfuzianer sind erst später dazu übergegangen, die Einhaltung der Netiquette durch Strafen zu gewährleisten. Es ist ja durchaus eine Ironie der Geschichte, daß diejenigen, die an das Gute im Menschen glaubten, es später mit dem Strafrecht durchsetzen wollten. Da sehe ich das chinesische Beispiel als Lehrbeispiel auch für heutige Lektionen. Als Praktiker der Macht haben die Konfuzianer Ihre Lehre ganz geschmeidig angepaßt. Dies ist kein Vorwurf, denn das Spannungsverhältnis bei den grundsätzlichen anthropologischen Fragen wird wohl nie ausdiskutiert werden. Da ja manche Einsicht über China sogar bis zu mir (auch ein ausländischer Teufel) herabgesunken ist, weiß ich auch um die Tücken der Verfremdung und die Notwendigkeit einer reflektierten Terminologie. Manche machen es sich da zu einfach und dann werden immer die gleichen Ammenmärchen über China erzählt.

Mich freut, daß im privaten, familiären Kontext diese chinesischen Traditionen kenntnisreich weitergereicht werden. Ohne die chinesischen Stimmen wäre die Welt sehr viel ärmer.

@ Mnemosyne

Haben Sie eine Literaturempfehlung für mich?

YZD
 
 
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mitbewohner
05-aug-06
Okay, jetzt will ich auch mal in die Diskussion einsteigen.
Ich habe den Nachteil, dass ich mich in chinesischer Geistesgechichte nur wenig, in chin Literatur nun wirklich nur oberflaechlich auskenne.
Ich habe den Vorteil, dass ich ne andere Philologie sehr viel intensiver betrieben habe.

Zunaechst:
Ob und wiefern die Obrigkeit dem Recht oder den Sitten unterworfen oder zur Erkenntnis faehig ist, ist ja nun wahrlich kein einzig chin. Thema. In jeder Zeit in fast jeder Gesellschaft haben sich Eliten, Herscherschichten herausgebildet. Zu jeder Gesellschaft gehoeren zwei Gruppen: die, die Herrschen und die, die sich beherschen lassen. Wenn sich diese beiden Gruppen zu stark auseinander entwickeln, kommt es zu Kiritik. Mail aus einer ganz anderen Ecke der Welt ein Beispiel zu nennen, faellt mir so aus dem Handgelenk der "Politische Kannengiesser" ein oder das "Traumlied von Olof Askesson". Wie Herrscher und Beherrschte solche Spannungen loesen zeigt, wie Reif Gesellschaften sind. Die Fuerstenspiegel in Europa geben einen interessanten aufschluss darueber, wie die "Vaeter" verschiedener Epochen meinte, wie sich die Herrscher den Beherrschten praesentieren muessten, damit sie nicht entsorgt werden. Hannah Ahrendt hat die Grundzuege dieser Beziehungen sehr klar dargestellt und was passiert, wenn die Herrscher halt nicht aufpassen (um es mal etwas salop zu formulieren).

Das war der eine Gedanke, den ich formulieren wollte. Der andere ist der:

YZD hat zunaechst einmal Recht: Die Frage, welche antthropologische Frage bleibt unentschieden, und zwischen der Frage, ob der Mensch nun gut oder schlecht sei, bleibt noch der Utilitarismus, bei dem es einfach egal ist, ob der Mensch gut oder schlecht ist.
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
mitbewohner
05-aug-06
Das interessante an der europaeischen Ideengeschichte ist ja, welche Entwicklung er durchgemacht hat: Von einem gespiegelten, verschraenkten Goetterwelt, wo sich die Menschen ein Beispiel am Verhalten der Goetter nehmen ueber einen externen Gott, der per Dekret verordnet, was gut oder schlecht ist, ueber den Streit von Lockes und Hobess, ob der Mensch gut oder schlecht sein, der Moralthereorie eines Kants, der Ermodung Gottes, dem Postulat, dass der Mensch zur eigenen Erkenntnis fahig sei, endlich, der negativen und positiven Freiheit, und der Negation von Allem furch den Totalitarismus.

Ich kenne mich in der chin. Ideengeschichte nicht sonderlich gut aus. Zunaechst einmal ist mir in Erinnerung geblieben, wie wenig Religionen die Ideengeschichte ueberlagert haben. Zum anderen ist mir Erinnerung, wie stark normierend sowohl Konfuzianer, Neo-Konfuzianer und daraus Legalisten in die Gesellschaft eingegriffen haben. Als dritten Puntk, der mir praegend im Kopf bleibt, ueber welch lange Zeitraeume diese Philosophien gehalten haben - ueber Jahrhunderte, ueber Herrscher und Herrschergenerationen. Und das ist eine der Punkte, die ich als praegend empfinde: wie statisch die chinesiche Geschichte und damit Geistesgeschichte ablaeuft - bis zum 20. Jahrhundert, wo plotzlich ein totalitaerer Herrscher alle Grundlagen versucht zerstoeren und nun eine Zeit, die versucht, mit den Folgen irgendwie klarzukommen.

Was ich suche, ist der "missing link" um einen Zugang zu diesem Denken zu bekomme: Diese Gleichgueltigkeit. Es ist halt so. Wir sind arm. Wir haben keine Erziehung. In Diskussionen hoehre ich immer wieder diese Totschlagargumente. Aber gerade Konfuzius beschreibt doch die Grundzuege der menschlichen Beziehungen: Den Respekt der Kinder gegenueber den Eltern, die Verpflichtung der Eltern gegenueber den Kindern, die besondere Beziehung zwischen Eheleuten, den Respekt der Jugend gebenueber dem Alter, der guetige Herrscher, der eine Verpflichtung gegenueber seinen Volk hat.
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
mitbewohner
05-aug-06
Gerade dieser Teil hat doch starke Aehnlichkeiten an den Antimachiavelli.
Aber wenn ich Tag taeglich versuche, unbeschadet mein Buero zu erreichen, greife ich doch lieber auf sozialdarwinistischen und machiavellistischen Methoden zurueck, um nicht am Ende des Tages im Krankenhaus zu landen.

Der "missing link". Ich weigere mich zu Glauben, dass Chinesen duemmer sind als andere Voelker. Zum einem kenne ich genug kluge Chinesen, zum anderen widerspricht es der grundlegenden Erkenntnis, das alle Menschen potentiell gleich sind (aber aktuell ungleich) zum dritten muesste ich ein Rassist werden, und dass verhuete Gott. Trotzdem: Warum folgt aus der Erkenntnis, das es so nicht gut ist, keine Konsequenz? Warum benutzt die Putzfrau trotzdem fuer Geschirr, Boden und Klo den gleichen Lappen? Warum kommt der Taxifahrer trotzdem immer wieder auf die Idee, den Fahrgast zu Betruegen (Auslaender oder cHin. ist egal, versuchens ja bei beidem)? Wieso versuchen trotzdem alle gleichzeitig in die U-Bahn ein- und auszusteigen? Die Ausrede: Kulturrevolution ist am allen Schuld, ist mir zu billig. Die Antwort muss tiefer liegen. Sie liegt da, wo die Legalisten erkannten, dass Erziehung nur mit Strafe durchzusetzen ist. Und diesen Punkt habe ich nocht nicht begriffen.

Vielleicht haben andere Geister dort einen Ansatz zu liefern.
 
 
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YZD
06-aug-06
Ausgangspunkt dieser Diskussion war eine Frustration und dort sind wir wieder angelangt. Wir als Menschen des Abendlandes sind nicht bereit zu akzeptieren, daß die Menschen ungleich sind. Dies ist die chinesische Erfahrung und genau dies ist die Annahme, die den von mir in die Diskussion gebrachten sechs Schriftzeichen zugrundeliegt. Es gibt Diener und Herren und für jeden gibt es eine Methode der Kontrolle. Wir haben in Europa immerhin und sehr mühsam gelernt, daß Macht mißbraucht wird und Regeln und Institutionen geschaffen, die Mißbrauch verhindern sollen. Getragen von den Ideen der Aufklärung und in der Gewißheit, daß wir vor dem Gesetz gleich sind, pflegen wir einen entspannteren Umgang miteinander. In der jüngsten Vergangenheit sind diese Erfahrungen und Errungenschaften unter Druck geraten, aber es sieht noch einigermaßen gut aus. In China gibt es keinen Bürger, keinen Citoyen. Herrschende und Beherrschte in China wissen, was sie voneinander erwarten können, der Umgang ist entsprechend ein anderer. Die europäischen Erfahrungen beim Umgang mit der Macht werden in chinesischen Schulen nicht gelehrt und öffentlich nicht diskutiert.

Wie dünn das Eis der Zivilisation ist, ist sogar an der Diskussion über die Ayi zu beobachten, die eventuell, vielleicht, ganz sicher eine Scheibe beschädigt hat. Ganz selten, z.B.bei Saiber, wurde angemerkt, daß man als gutverdienender und gebildeter Europäer sich auch Großzügigkeit und Nachsicht leisten könnte. Man könnte die Situation auch zum gegenseitigen Kennenlernen und Aufbau von Vertrauen nutzen. Beim nächsten Mal wüßte man, inwieweit eine (diese) Ayi (ein Mensch!) lernfähig ist und vielleicht sogar Vertrauen lernt. Die allermeisten Beiträge plädierten für Strenge und Härte. Feuern, Lohnabzug, die Chinesen machen das auch so und sind sogar noch strenger. Die Diskussion um Recht und Sitte ist also so alt wie aktuell.
YZD
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
YZD
06-aug-06
Was ist also das missing link? Wo ist der Kern der Frustration? Warum ist vieles anders und doch kaum greifbaf? Kann die Putzfrau einen Hinweis geben? Gut beobachtet, sie benutzt den selben Lappen, wahrscheinlich weil sie es nicht besser weiß. Wer nichts von Bakterien und Mikrobiologie weiß, der glaubt wirklich, daß alles gleich sauber ist, wenn es nur so aussieht. In der fehlenden Bildung, in der Unwissenheit, sehe ich ein missing link. Die Kulturrevolution alleine reicht zur Erklärung wirklich nicht. Eine Mittelschicht braucht mindestens zwei Generationen, um genügend Wohlstand und Sicherheit zu fühlen, bevor sich Muße und Bildung einstellen können. Kampagnen, Kriege, Bürgerkriege reichen deutlich länger zurück. Manche Regionen sind seit Jahrhunderten kaum zur Ruhe gekommen. Auch ein Sozialverhalten gehört zur Bildung. Hier begebe ich mich auf ein Feld der Spekulation und vielleicht gibt es im Forum Leute, die in China aufgewachsen sind und von der Unruhe und Unsicherheit berichten können, die ihre Kindheit oder die Kindheit der Eltern begleitet hat.
YZD
 
 
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frustrierter
06-aug-06
@alle
vielen Dank fuer die bisher sehr interessant geführte Diskussion! Ich freue mich, dass sich hier ein paar wirklich tiefere Gedanken machen und ich nicht sofort von verletzenden, dummen Kommentaren angemacht wurde! Es geht mir beim Lesen Eurer Beitraege schon wesentlich besser, weil Ihr Euch auch mit der Situation professionell auseinandersetzt - so wie ich eigentlich auch. Denn das ist doch etwas anderes als wenn man einfach "flieht". Ich will diese schlimme Phase einfach hinter mich bringen. Vielleicht trifft man sich ja irgendwo mal und dann ist ja vieles einfacher.
Vielen Dank nochmal!
 
 
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frustrierter
06-aug-06
missing link:
Mao hat versucht, alles tradierte auszuradieren. Das Ausland hat alles versucht, das "Chinesische" (was auch immer das ist) zu ersetzen mit "auslaendischen" Produkten. Durch die japanische Sprache, russische Sprache, internationales Management, Plastik, Pizza und nicht zuletzt mit einem: Geld.
Die Chinesen leben in einer Welt, in der sie nicht wissen, was richtig und was falsch ist. Sie haben auch keine Werkzeuge dazu, das richtige herauszuarbeiten. Und deshalb ist die Fuehrung in China umso wichtiger, ihnen eine Fuehrung zu geben, sie zu erziehen. Aber wie erziehe ich ein Volk? Und: Warum soll ich ein Volk erziehen, dass danach klueger ist und sich seine eigene Gedanken macht. Dann ist es womoeglich nicht mehr fuehrbar! Also: Immer schoen klein halten!
Und nun die Preisfrage: Wie soll ich mich verhalten? Soll ich Guete zur Ayi zeigen? Soll ich ihr es vormachen, wie man Fenster putzt? Soll ich ihr mit absoluter Haerte begegnen? Bin ich ihr Ersatzlehrer? Bin ich der missing link zur chinesischen Sitte?
 
 
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mitbewohner
06-aug-06
Ich glaube, es ist die fruchtbarste Diskussion, die ich seit 1,5 Jahren ueber China gefuehrt habe.

@YZD:
Die Menschen sind potentiell gleich. Wir alle haben 2 Augen, einen Mund, 2 Beine, 2 Arme und Haende, um einen anderen zu ermorden (um mal ne Anlehnung an Hobbes zu machen) und einen Kopf zu denken. Sie sind aktuell ungleich wegen der verschieden Vorraussetzunge, weil beide Geschlechter anders behandelt werden.
Wir haben einen Kopf zu denken: Ob die Ayi was von Mikrobiologie versteht, bezweifle ich. Aber sie hat einen Kopf zu denken. Und das ist das, was ich vermisse: "Gemeinen Menschenverstand". Und tut mir leid, das hat nix mit Erziehung zu tun. Natuerlich, aus reinem Egosimus erziehe ich sie. Genau wie meinen Mitarbeiter. Oder soll ich jedesmal, wenn ich etwas brauche mich an Baidu dran machen und muehsam das Produkt suchen, was ich haben will, weil mir die chin. Bezeichnungen nicht ganz klar sind? Und hier liegt die Grenze, wenn er es einmal vorgemacht bekommt und dann beim naechsten mal nicht anwenden kann, ueberlege ich ernsthaft, ihn zu feuern.
Klar, wer daran knabbert, seine Grundbeduerfnisse zu befriedigen, wird keine Bildung erreichen koennen, aber ist es zuviel verlangt, nachzudenken?
Du, frustrierter sagst, sie haben keine Werkzeuge festzustellen, was richtig oder falsch ist.
Denken?
Ein guter Freund meinte, als ich nach China ging, Chinesen sind wie Kinder. DIe Aufgeklaerten Despoten haben ebenso gedacht. Sie muessten ihr Volk erziehen. Wieso? Weil jeder Herrscher will, dass sein Volk besser ist, als das der anderen. Das hat dann irgendwann im Nationalisumes den 19. Jhd. gefuehrt.
Trotzdem, dass es wie oben beschrieben so ist, dass Chinesen des gesunden Menschenverstandes nicht faehig sind, weigere ich mich anzuerkenen.
Vielleicht belehrt man mich eines besseren!
 
 
aw: steckengeblieben in china   guter beitrag schlechter beitrag
without a cause
06-aug-06
@ all:

interessante diskussion!

"Und das ist eine der Punkte, die ich als praegend empfinde: wie statisch die chinesiche Geschichte und damit Geistesgeschichte ablaeuft - bis zum 20. Jahrhundert, wo plotzlich ein totalitaerer Herrscher alle Grundlagen versucht zerstoeren und nun eine Zeit, die versucht, mit den Folgen irgendwie klarzukommen.

Was ich suche, ist der "missing link""

meine verwegene theorie:
der grund liegt vielleicht darin, dass die chinesische sprache keine wirklich klare trennung zwischen vergangenheit gegenwart und zukunft kennt.


wuerde mich sehr interessieren, was ihr darueber denkt!
 
 
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