"Bist du verrückt?", fragte sie wütend. Bisher war er stets maßvoll und bedacht in seinem Verhalten gewesen, doch nun blitzte etwas in seinen Augen, das sie gleichzeitig erschreckte und beeindruckte. Zum ersten Mal wirkte dieser schmächtige, geknechtete Junge ganz und gar männlich.
„Ich nehme keine Gaben mehr von Fremdlingen, die unser Land versklaven“, sagte er nur.
Charlotte blickte sich rasch nach Anastassia um, die nur geduldig dastand wie eine Last, die auf den bevorstehenden Abtransport wartete. Shao Yu sah nun selbst kurz zu ihr hoch. Seine grimmige Miene zerbröckelte angesichts ihres freundlichen, ahnungslosen Lächelns. Der junge Mann begrüßte sie höflich im Shanghaier Dialekt. Anastassia lächelte noch intensiver, ihre übliche Taktik, um zu verbergen, dass sie kein Wort verstand.
„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, fuhr Charlotte ihn nun an. „Wenn du Geld wegwerfen willst, dann tue es meinetwegen. Aber seit wann bin ich ein Fremdling hier?“
Shanghai, jener Kessel, in dem ein Gemisch aus zahllosen Nationen, Sprachen und Geschäften brodelte, war stets ihre Heimat gewesen.
Was im Shanghai der vorletzten Jahrhundertwende als charmante Liebesgeschichte zwischen Ost und West beginnt, mündet im Lauf der Erzählung in eine mitreißende Darstellung rund um den verheerenden Boxeraufstand (1899-1901). Mit interessanten Details zur Rolle Deutschlands und seiner damaligen Kolonie Tsingtao/Qingdao.