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Roman: Die Rebellin von Shanghai (5)
Von Tereza Vanek
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Charlotte war klein, doch nichts an ihr wirkte zerbrechlich. Er hatte gesehen, wie sie sich mit ein paar Straßenmädchen raufte, und gestaunt, dass eine junge Dame so treffsicher zuschlagen konnte. Ihr Körper war ein kompaktes Bündel von Energie. Sie hatte seine Fantasien an sich gerissen und in Bahnen gelenkt, die er mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Daran, für ein hübsches, lebhaftes, kluges Mädchen zu schwärmen, war nichts Verwerfliches. Nur wurde er immer wieder mit Meinungen konfrontiert, die eben jenes Gefühl in den Schmutz zogen.

Diese Gedanken kreisten noch in seinem Kopf, als er das Haus seines Onkels in der Hangkow Road erreichte. Er trat ein und der Diener informierte ihn in gebrochenem Englisch, dass der Hausherr mitsamt Gemahlin im Salon auf ihn wartete. David war erfreut. Er mochte Onkel Eugene und dessen Frau Millicent, beides gutherzige, rechtschaffene Menschen. Der jüngste Bruder seines Vaters hatte Medizin studiert und war vor über zwanzig Jahren Schiffsarzt geworden, um schließlich in Shanghai eine eigene Praxis zu eröffnen. Seine Frau hatte er vor Ort kennengelernt, die Tochter eines ansässigen Hotelbesitzers. Da sie keine eigenen Kinder hatten, war David von ihnen mit offenen Armen begrüßt worden. Sie hofften, er würde bleiben, heiraten und ihnen so etwas wie eigene Enkel schenken, das wusste er. Manchmal schämte er sich fast, von so viel Zuneigung überhäuft zu werden, ohne sich diese irgendwie verdient zu haben.

Nun sah er, dass auf dem Tisch schon der Tee bereitstand, ebenso wie Scones, Sahne und Marmelade. Dieses kleine Stück Heimat auf der anderen Seite der Weltkugel tat unerwartet wohl.

„Du bist ja schon früher da!“, rief Tante Millicent erfreut. „Eugene sagte, du kämest erst zum Abendessen.“

Mit ihrem altmodisch glockenweiten Rock und dem schlichten Haarknoten sah sie aus wie die Figur aus einem Roman von Charles Dickens. In England hätte David sie vielleicht albern gefunden, doch hier wärmte ihr Anblick sein Herz.

„Ich habe die Schießübungen früher abgebrochen, denn viele Männer haben so kurz nach Weihnachten noch Besuch von ihren Familien“, log David. Sein Onkel wusste, dass auf diese Veranstaltungen stets ein von allen geschätztes Saufgelage folgte, dem kein christlicher Feiertag in die Quere kommen würde. Aber er ging davon aus, dass seine Tante es nicht tat.

„Schön, mein Junge. Setz dich zu uns!“, sagte Millicent auch schon. Ihr Lächeln hatte einen leicht unnatürlichen Zug, als sei es auf ihren Mund gestempelt worden. Sie schenkte selbst den Tee ein und verteilte die Scones.


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