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Roman: Die Rebellin von Shanghai (5)
Von Tereza Vanek
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David musste sich nun doch zu ihm umdrehen.

„Sie ist das klügste Mädchen, das ich jemals getroffen habe. Und sie hat sicher bessere Dinge im Leben zu tun, als mir ständig für irgendwas zu danken“, sagte er schnell, neigte dann den Kopf und schlug mit hastigen Schritten den Weg ins Stadtzentrum ein.

Er vermeinte, Geoffrey Leightons fassungsloses Gesicht weiter sehen zu können, als habe er plötzlich am Hinterkopf Augen bekommen, und lief daher umso schneller.

Ohne Geoffrey Leightons Einmischung in sein Leben wäre er Charlotte niemals begegnet, denn auf seine plumpe, anbiedernde Art hatte der Buchhalter sehr schnell erkannt, was David bereits zwei Wochen nach seiner Ankunft in Shanghai bis in den Schlaf verfolgte. Diese so fremden, kleinen, zarten Frauen mit lackschwarzem Haar und feinen Gesichtszügen. Die Frage, ob ihre kindlich schmalen Knochen einer kräftigen Berührung standhalten würden, hatte sich in seinem Kopf festgesetzt, so sehr er sich auch bemühte, derart unangemessene Fantasien zu verscheuchen. Er hätte niemals gewagt, es seinem Onkel zu gestehen. Auch gegenüber den Männern vom Freiwilligencorps hatte er es zu verbergen gewusst, bis es zu einem schnapsseligen Gespräch mit Geoffrey Leighton gekommen war.

„Die tun, was du willst. Alles, verstehst du. Da gibt es keine Tabus. Denen gefällt es, sich Männern zu unterwerfen. Sie haben es von klein auf so gelernt und eigentlich liegt es ihnen auch im Blut.“

David hatte es nicht glauben wollen, auch wenn er immer wieder Andeutungen dieser Art zu hören bekam, selbst von seinem diensthabenden Offizier. Es widersprach seinen Prinzipien, Prostituierte aufzusuchen. Ein unfreiwillig schwangeres Mädchen aus seinem Heimatdorf hatte sich erhängt, weil es eben diesen Weg nicht einschlagen wollte, und er hatte sich damals geschworen, niemals ein Bordell zu betreten. Doch Geoffrey Leightons Worte hatten ihm so lange den Schlaf geraubt und verbotene Bilder heraufbeschworen, bis er nicht mehr hatte widerstehen können.

Er war in seiner Uniform losgezogen, um Eindruck zu machen. Hatte sich gesagt, dass er dem Mädchen einen Gefallen täte, denn er würde gut zahlen, freundlich sein und auf jede Gewaltanwendung verzichten. Mit jedem Schritt hatte er diese Worte in seinem Kopf wiederholt, um seinen Weg zu einem chinesischen Hurenhaus für sich entschuldbar zu machen, so lange, bis er sich schließlich in der Lage gefühlt hätte, irgendeines dieser zarten Wesen mit grell bemalten Gesichtern anzusprechen, wäre Charlotte ihm nicht dazwischengekommen.

Er hatte sie wegen ihrer Kleidung zunächst für eine halbwüchsige Europäerin gehalten, die in Gefahr geraten war und Hilfe brauchte. Wie gut sie in dieser Stadt ohne ihn zurechtkam, war ihm erst mit der Zeit klar geworden. Sie vereinte das Fremde auf selbstverständliche Weise mit dem Vertrauten, sodass er an ihrer Seite in jene chinesische Welt dieser Stadt gleiten konnte, die sein Onkel nach über zwanzig Jahren in Shanghai immer noch mied.


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