Die Vorteile liegen klar vor Augen: Der Fußboden ist blitzsauber, obendrein sieht man auf dem schneeweißen Marmorboden sofort, wohin das Gurkenscheibchen gerollt ist. Die Kinder hätten viel Platz zum Rumtollen und die Luft ist schön kühl, mückenfrei und außerdem parfümiert. Zudem ist das ne typische Galerie, das heißt in der Mitte wäre es schön hoch zum Federballspielen. Aber der Clou ist: Man kriegt beim Essen was zu sehen. Wenn ich mich einmal umsehe, lese ich Escada, Max Mara, Channel, Gucci, Louis Vuitton, Dior, Cartier und Tiffany. Das ist nur eine kleine Auswahl und das sind keine Werbeschilder, sondern ziemlich große Geschäfte. Und wir befinden uns hier auch nicht auf dem Copy-Markt, sondern bei den Originalen. Und deswegen ist es hier auch vergleichsweise leer und ruhig und pickickeinladend, weil es kaum Kundschaft gibt. Klar, irgendwie müssen auch diese Läden ihre Miete in dem Marmortempel bezahlen. Und da sind auch einige Kunden, die sich von eleganten Verkäuferinnen bedienen lassen. Wenn hier jemand etwas kauft, dann reicht das halt schon für ein paar Tage Mietzins, bei Grabbeltischen ginge das nicht. Dennoch habe ich das Gefühl, dass sich die jungen Damen unendlich langweilen müssen, weil kaum jemand vorbei kommt. Naja, wenigstens sehr gepflegte Langeweile. Draußen vor der Tür – nee, „dem Portal“ wäre hier wohl angebrachter – befindet sich das Ritz-Carlton Hotel, und davor stehen etliche passende Autos, Maserati, Lamborghini, Ferrari, auch ein Maybach ist vorhin langsam vorgefahren, und trotz Asphaltierung konnte ich den knirschenden Kies einer Schlosseinfahrt beinahe hören. Die einzigen, die etwas gegen ein Picknick an diesem Ort hätten [für die Verkäuferinnen wäre dann endlich mal was los], sind wohl die Wachmänner, die hier überall mit strengem Gesicht rumstehen und selbst den Schreibenden dort auf der gepolsterten Bank etwas misstrauisch beobachten, wer weiß, welchen Einbruch der Kerl da gerade ausheckt... Mir gefällt die Wochenschau-Musik aus den versteckten Lautsprechern eh nicht besonders gut. Außerdem muss ich meine Weihnachtsgeschenke wohl sowieso woanders einkaufen, dann geh ich halt. Und dann ist noch etwas passiert: Etwa eine Stunde später sitze ich in einem sehr leckeren taiwanesischen Restaurant hier in Pudong und warte auf meine Bestellung. Dieses Restaurant befindet sich in einer riesigen Kaufgalerie, die ich später beschreiben werde.
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Hallo Volker ! Netter Beitrag. Ich hab das Buch von Kai Strittmatter "Gebrauchsanweisung für China" gelesen, das ich für das beste Buch über China halte. Ich lebe erst seit 3 Jahren hier, aber in einer wirklichen Familie, die aus dem Norden von Harbin stammt. Du schreibst sehr sanftmütig und ehrlich hier. Mir gefällt der Abschlusssatz sehr gut, denn das sind genau die Dinge, die mich hier täglich neu aufrichten. Rüchwärtsgehen tut manchmal auch recht gut :) LG Paul | ||||
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